KI-Wissensmanagement im Kunden- bzw. Mitarbeiterkontakt
Gabriele Feist von der ATLAS Dienstleistungen für Vermögensberatung GmbH und Stephan Gürtler von CEWE (Stiftung & Co. KGaA) haben uns verschiedene konkrete KI-Einsätze ihrer Unternehmen vorgestellt. Es ging dabei um den Einsatz von KI im Wissensmanagement und um die damit mögliche zielgenaue Unterstützung von Hotline-Agenten (ATLAS) bzw. MitarbeiterInnen und Mitarbeitern im Kundenkontakt (CEWE) sowie die Bereitstellung von passgenauen Informationen für KI-(Voice-)Bots. Die vorgestellten Lösungen laufen bereits. Sie werden von den MitarbeiterInnen und Mitarbeitern gut aufgenommen und erledigen kleinere Aufgaben bereits vollständig. Dort, wo Kunden damit in Berührung kommen, ist für die Kunden klar erkennbar, dass es sich nicht um einen Menschen handelt. Prio 1 bei dieser und anderen technischen Lösungen ist die Kundenzufriedenheit und die optimale Unterstützung der MitarbeiterInnen. Daher haben Anrufer bei beiden Unternehmen auch zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit zu einem Menschen zu wechseln.
Technische Umsetzung des KI-Wissensmanagement über RAG – retrieval augmented generation
Wenn es um die Unterstützung bei der Suche und Aufbereitung von Informationen geht, kann KI in einem RAG-Set-Up optimal unterstützen. Hierbei wird der Prompt (die Eingabe / Suche / Befehl) des Nutzers mit Kontext aus verifizierten Unternehmensinformationen angereichert (z. B. Wissensmanagementsystem des Unternehmens, Textfiles von Arbeitsanweisungen oder Prozessen, Webseite des Unternehmens, Preislisten, Datenbanken mit weiteren Informationen). Ein LLM (Large Language Modell – die eigentliche KI) generiert daraus die endgültige Antwort, die dem Nutzer angezeigt wird oder von einem Voice-Bot vorgelesen wird. Arbeitet das System sauber, kommt das Wissen (der Inhalt) der Antwort einzig aus den verifizierten Unternehmensinformationen. Das LLM steuert die sprachlichen Fähigkeiten bei, auf Basis dieser Informationen eine schlüssige Antwort zu generieren bzw. zu formulieren. Halluzination, die entstehen kann, wenn ein LLM die Antwort rein aus sich heraus generiert, wird so deutlich abgeschwächt bzw. fast vollständig vermieden. In beiden Vorträgen wurde berichtet, dass ein klassisches Wissensmanagementsystem über ein RAG-Logik mit dem LLM verbunden wurde.
Zeitersparnis bei Authentifizierung, Kontaktgrunderfassung und Routing
Die Zeit der MitarbeiterInnen an der internen Hotline bzw. im Kundenkontakt ist kostbar und einiges davon wird gebraucht, um Anrufer 1. zu authentifizieren und 2. ihren Anrufgrund bzw. Gründe zu erfahren und sie 3. an die richtige Stelle weiterzuleiten (Routing).
Authentifizierung
Authentifizierung, also die Frage, ob der / die Anrufende tatsächlich die vorgegebene Person ist, ist aus Datenschutz und Vertraulichkeitsgründen hochrelevant. Denn nur bestimmte Personen dürfen für sie bestimmte Informationen erhalten in der Beratung erhalten. Diese Routineaufgabe, nämlich die Überprüfung von hinterlegten Informationen zur Authentifizierung kann gut mit KI automatisiert werden. Dadurch, dass bis ca. 60% der Anrufenden vom KI-System authentifiziert werden können, so ein Teil der Wartezeit sinnvoll genutzt wird und sich die Gesamtdauer des Anrufs für sie verringert.
Kontaktgrund / Anrufintention
Die Frage nach dem Anrufgrund ist relevant dafür, AnruferInnen mit dem bestmöglichen Gesprächspartner zu verbinden (routing) oder in der Ausbaustufe ihre Frage direkt von einem Voice-Bot beantworten zu lassen. So kann den Anrufern möglichst effizient geholfen werden, idealerweise im Erstkontakt.
Routing
Die Anrufgründe der Kunden (CEWE) bzw. der Beraterinnen und Berater (ATLAS) lassen sich den Spezialgebieten von Teams zuordnen. Auf diese Weise kann durch das KI-System vermieden werden, dass Anrufer mehrmals weitergeleitet werden müssen. Die KI sucht das Team heraus, das zu den spezifischen Anrufgründen auskunftsfähig ist. In manchen Fällen kann der KI-Agent Fragen ggf. auch direkt selbst beantworten, weil im Wissensmanagement alle dazu nötigen Informationen hinterlegt sind.
Lastspitzen und Erreichbarkeit
Gerade in Zeiten extremer Auslastung geht es darum, MitarbeiterInnen an der Berater-Hotline bzw. im Kundenkontakt möglichst effizient einzusetzen. Da hilft eine Technik, die aus den Unmengen von Unternehmensinformationen passgenau die richtigen raussucht, aufbereitet und kanal-spezifisch bereitstellt. So kann die Erreichbarkeit stabilisiert bzw. gewährleistet werden, Die MitarbeiterInnen werden entlastet und Kunden bzw. Berater erhalten schneller bessere Lösungen.
Verschiedene Sprachen
Nicht alle KundInnen und MitarbeiterInnen sprechen Deutsch. Dieser Herausforderung kann dadurch begegnet werden, dass die Ausgabesprache in einem RAG-System nahezu frei gewählt werden kann. Die Hauptsprachen in Europa sollten z. B. von gängigen LLM problemlos dargestellt werden können. Für die Kanäle Chat und Schrift (Mail und Brief) können dann BeraterInnen eingesetzt werden, die keine Fremdsprachen sprechen. Sie können unterstützt durch ein solches System Kundenanfragen in vielen Sprachen beantworten. In Verbindung mit einem Voice-Bot können fremdsprachliche Anfragen genauso gut beantwortet werden, wie deutschsprachige. Ein Voice-Bot kann auch dann (einfache) Anliegen in verschiedenen Sprachen beantworten, wenn die Unternehmensunterlagen nur auf Deutsch oder Englisch vorliegen.
Einführung neuer technischer Systeme: KI-Wissensmanagement
Die Einführung neuer technischer Systeme wird von beiden Unternehmen als Herausforderung geschildert. „Anfangs hat ein gewisser Teil der Anrufer direkt wieder aufgelegt, wenn der Voice-Bot drangegangen ist“. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, Anrufenden die Wahl zu lassen und nicht voreilig und endgültig den gesamten Kundenkontakt „in die Hände“ von Maschinen zu geben. Einige Themen können von einem KI-System – zumindest aus Sicht der Anrufenden – nicht zufriedenstellend bearbeitet werden. Aus psychologischer Sicht wird das mindestens immer dann der Fall sein, wo neben der Sachebene auch andere Ebenen der Kommunikation aus Sicht der Anrufenden wichtig sind.
Rahmen für KI-Wissensmanagement: DSGVO, EU-KI-Act…
Es versteht sich von selbst, dass bei all diesen Anwendungen strikt auf die Einhaltung der DSGVO und des EU-KI-Act und ggf. weiterer Normen geachtet wird. Mittlerweile bieten verschiedene Unternehmen Lösungen an, die DSGVO-konform sind. Daten werden dann entweder vor der Verarbeitung durch KI-Systeme anonymisiert oder die Daten bleiben gleich im Herrschaftsbereich des Unternehmens bzw. dort, wo die Datenverarbeitung nach DSGVO gestattet ist (z. B. in Rechenzentren in Deutschland / dem EWR). Alle DSGVO-relevanten Themen sowie die Einhaltung weiterer relevanter Normen sind in jedem Fall vorab mit dem betrieblichen Datenschutzverantwortlichen und weiteren Stellen im Unternehmen zu klären!
Herzlichen an Dank an die Vortragenden und alle Teilnehmer!
Der Expertenkreis Customer Contact ist eine Gruppe von Entscheidern, die eine Vielzahl von Kundenkontakten verantwortet. Der Expertenkreis entstand aus einem Workshop auf einer ServiceRating-Veranstaltung vor ca. 8 Jahren und trifft sich seither online und offline mehrfach im Jahr. Grundsätzlich findet der Expertenkreis als Lean Coffee statt, das heißt alle TeilnehmerInnen können ihre Fragen / Themen mitbringen. Die Gruppe stimmt darüber ab und dann werden die Themen der Reihe nach besprochen. Auf diese Weise werden immer aktuelle und konkrete Fragestellungen rund um das Thema Kundenkontakt besprochen.
Weitere Informationen zum Expertenkreis gibt es hier: Expertenkreis Contact Center – ServiceRating