Hund mit Ball

Sind einfache Entscheidungsregeln – Heuristiken – immer schlecht?

Ach, wir Dummies, wir machen es uns einfach und nutzen Daumenregeln bzw. Heuristiken für komplexe Entscheidungen?!

Wussten Sie schon? Dachte ich mir, aber es gibt in diesem Zusammenhang mindestens zwei Sichtweisen:

1. Der Mensch entscheidet nicht rational, sondern begeht „Fehler“, weil er vereinfachte Werkzeuge einsetzt: Daumenregeln bzw. Heuristiken. Entscheidungen sind dann verzerrt und führen zu unerwünschten Ergebnissen. Das ist (verkürzt) eine Sicht auf Heuristiken, die stark mit den Namen Kahneman & Tversky u.a. verbunden ist (heuristics and biases-Ansatz, Kahneman u. a.).

2. Menschen nutzen Heuristiken als Werkzeuge und deren Erfolg hängt von der jeweiligen Situation ab (fast and frugal heuristics-Ansatz, Gigerenzer u. a.). Passen Heuristik und Entscheidungssituation, führen Heuristiken mit sehr wenig Aufwand zu optimalen Ergebnissen. Gigerenzer nennt hier als Beispiel das Fangen eines Balles. Ob ein Hund wohl die Flugbahn berechnet (aus Entfernung, Wind, Geschwindigkeit des Balles, Erdanziehung, Laufgeschwindigkeit…)? Eher nicht. Kinder oder Erwachsene tun das auch nicht, die meisten können aber Bälle fangen. In einer sehr komplexen Situation wird ein einfaches Verfahren angewendet. Nur so kann man einen Ball fangen, bevor er auf dem Boden landet. Gute Ergebnisse mit einfachen Entscheidungsregeln – fern rationaler Berechnungen – werden hier erzielt.

Heuristiken sind einfache Regeln für (komplexe) Entscheidungen. Gute Ergebnisse mit einfachen Entscheidungsregeln sind möglich. Um gute Ergebnisse erzielen zu können, muss die Komplexität durch die Heuristik situationsadäquat reduziert werden. Es gilt also sowohl die Entscheidungsregeln als auch die Situationen zu erkennen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass man unterscheiden kann, wo Heuristiken zu guten Ergebnissen führen und wo nicht. Wir haben es ja nicht immer mit fliegenden Bällen zu tun. Manchmal ist also genug Zeit und Information vorhanden, um durch aufwändigere Entscheidungsverfahren zu besseren Ergebnissen zu kommen. Ob das bessere Ergebnis dann den Aufwand rechtfertigt, ist eine andere Frage.

Wenn allerdings die Bälle fliegen, sollte man die Hände nicht mit Taschenrechner und Stift voll haben, sonst werden die Ergebnisse garantiert schlechter.

Wer sich für echtes Entscheidungsverhalten interessiert, findet sowohl bei Kahneman als auch bei Gigerenzer und Kollegen spannende Anstöße. Gerade in der VUCA-Welt, wo leider niemand feste Wahrscheinlichkeiten an die Äste der Entscheidungsbäume getackert hat, habe ich beide Sichtweisen als spannende Erweiterung meines persönlichen Werkzeugkastens empfunden.

Welche Bälle wollen Sie heute fangen und wie gehen Sie dabei vor?

 

Bild von sspiehs3 auf Pixabay